Malte C. ist tot
In der Nacht von Donnerstag 1.9. zu Freitag 2.9. erlag der 25 jährige Malte C. den schweren Kopfverletzungen, die ihm am Samstag zuvor von einem noch unbekannten männlichen Täter zugefügt wurden. Wir vom andersROOM in Siegen sind zutiefst schockiert und finden kaum Worte, um unsere Trauer auszudrücken. Unsere Gedanken sind bei seinen An- und Zugehörigen. Wir sind fassungslos über diese Gewalttat, die ein noch so junges Leben einfach ausgelöscht hat.
Jede Art von Gewalt ist schrecklich, doch diese hat noch schockierendere Hintergründe. Malte C. wurde angegriffen, weil er am Rande einer öffentlichen Veranstaltung einen verbalen Angriff Jugendlicher gegen zwei Frauen bemerkte und Zivilcourage zeigte. Malte schritt ein, kam den Frauen zu Hilfe und wurde daraufhin seinerseits körperlich angegriffen – ein Schlag mit voller Wucht ins Gesicht, gefolgt von einem weiteren. Die schweren Verletzungen, die Malte dadurch davon trug, führten letzte Nacht zu seinem tragischen Tod. Malte C. war der einzige, der den Frauen zu Hilfe kam. Malte C. kam niemand zu Hilfe, erst als es zu spät dafür war.
Die Hintergründe der Tat sind ebenso eindeutig wie abstoßend. Denn die Tat war zweifelsfrei gegen Minderheiten gerichtet, gegen Menschen, die schon immer besonders von Gewalt bedroht und betroffen sind. Die Tat war gegen queere Menschen gerichtet, der Tatort war der CSD in Münster, eine Veranstaltung, die auf gerade diese besonders gefährdete Gruppe von Menschen hinweisen sollte, der auch Malte C. angehörte.
Taten mit queerfeindlichem Bezug werden in Deutschland nicht systematisch erfasst und entsprechend ist wenig darüber bekannt. Als bundesweit einzige Staatsanwaltschaft erfasst die Staatsanwaltschaft Berlin in Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Maneo Projekt seit 2012 speziell queerfeindliche Taten. Die schockierenden Zahlen werden jährlich im Maneo Report zusammengefasst und machen greifbar, was queere Gruppen seit Jahren erfolglos anprangern: Queerfeindlichkeit ist in Deutschland ein weit verbreitetes Problem und sie nimmt gerade in den Letzten Jahren deutlich zu.
Der Bericht zu “politisch motivierter Kriminalität” des Bundesministeriums des Inneren zeigt ein Plus von 66,67% für Fälle aufgrund des “Geschlecht/Sex. Identität” und ein Plus von +50,52% für Fälle aufgrund der “Sexuellen Orientierung”. Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs, denn aufgrund der fehlenden konsequenten Erfassung ist die Dunkelziffer enorm, viele queerfeindliche Verbrechen werden schlicht nicht als solche erfasst und tauchen in diesen Statistiken nicht auf.
Auch im Siegerland kommt es immer wieder zu Queerfeindlichkeit, meist nur verbal, doch auch körperlich. 2020 wurde der Fall von Roland W. bekannt, bei dem es zuerst zu queerfeindlichen Beschimpfungen und dann zu körperlichen Angriffen kam kam. Bekannt wurde dies nur, weil Roland W. selbst aktiv in die Öffentlichkeit ging und darüber berichtete. Das genaue Ausmaß queerfeindlicher Taten ist unbekannt, da in Nordrhein Westfalen, wie im restlichen Bundesgebiet außer Berlin, eine systematische Erfassung zwar seit Jahren von queeren Verbänden gefordert, aber durch die Landesregierung noch immer nicht umgesetzt wird.
Erst wenn wir das Ausmaß kennen, können wir auch effektiv dagegen vorgehen. Queerfeindlichkeit ist kein Kavaliersdelikt. Dem gewaltsamen Tod von Malte C. müssen politische Konsequenzen folgen. Das Verbrechen muss von der Staatsanwaltschaft als Hassverbrechen verfolgt werden! Auch in NRW müssen Verbrechen mit queerfeindlichem Hintergrund konsequent systematisch erfasst und entsprechend auch als Hassverbrechen verfolgt werden.
Links:
2012, Partnerschaft Berliner Staatsanwaltschaft mit Maneo Projekt
http://www.maneo.de/presse/detail/article/berliner-politik-macht-ernst-staatsanwaltschaft-erhaelt-eine-ansprechpartnerin-fuer-hasskriminalit.html
Maneo
http://www.maneo.de/
2020, Gewalttat gegen Roland W., Siegen
https://www.wp.de/staedte/siegerland/hass-verbrechen-in-siegen-homosexueller-aktivist-verpruegelt-id230355116.html
https://www.wp.de/staedte/siegerland/siegen-roland-w-wird-mit-dem-tod-gedroht-id231057180.html
Nach tödlichem Angriff auf dem CSD Münster: Queere Communities fordern konsequente Anti-Gewaltarbeit
https://queeres-netzwerk.nrw/nach-toedlichem-angriff-auf-dem-csd-muenster-queere-communities-fordern-konsequente-anti-gewaltarbeit/